Blondie und ihr blauer Flitzer – Reise in die Vergangenheit #5
Wochen später
Es klingelt an unserer Haustür. Eine fremde Frau möchte wissen, ob wir den Namen von Blondie kennen würden. Es gibt immer noch keinen Namen am Klingelschild.
Da sich Blondie bis dahin nicht vorgestellt hat, muss ich verneinen. Als sie die vielen Fragezeichen in meinem Gesicht sieht, erhalte ich die Erklärung für ihre Neugier.
Blondie hatte bei der Geschäftsfrau Kleidung zum Anprobieren mitgenommen, sie aber weder bezahlt noch zurückgebracht. Sie hatte aber die richtige Adresse angegeben. Sie leidet Höllenqualen, da sie ihre Ware auf einem Kleiderständer sieht, der direkt am Fenster steht. Zur Polizei wagt sie auch nicht zu gehen, da sie Angst vor Racheaktionen habe. Blondie und gewalttätig? Unglaublich! Diese Sorge ist wohl eher anderen Umständen zuzuschreiben als der Haarfarbe.
Die einzige Hilfe, die ich anbieten kann, ist, den Namen und die Adresse des Vermieters zu nennen. Vielleicht kann der ihr ja weiterhelfen. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht. Der Kleiderständer hängt weiterhin voller Sachen.
Einige Wochen später
Den Höhepunkt von Blondies intellektueller Verarbeitung der Frage „Wie parke ich heute?“ dokumentiert die folgende Aufnahme:
Ich schau zufällig zum Dachfenster hinaus. Welche ein vertrautes Bild. Unser Besuch hatte sein Auto vor unserer Haustür abgestellt. Später stellte unsere Zweit-Lieblingsnachbarin (von der (Erst-Lieblingsnachbarin erzähle ich später) ihren Wagen genau gegenüber ab. Es ist ihr, ich weiß nicht mehr, der wievielte Versuch, dem § 1 der StVO eine persönliche Interpretation zukommen zu lassen.
Kaum habe ich die Aufnahme gemacht, ertönt ein wildes Gehupe. Ich gehe auf die Straße und stelle fest, dass es der Müllwagenfahrer ist. Er hat keine Chance weiterzufahren!
Ich weise ihn auf Blondies blauen Flitzer hin und schlage ihm vor, die Dame herauszuklingeln und ihr gehörig die Meinung zu sagen. Mit unverhohlener Schadenfreude hoffe ich nun auf einen amüsanten Wortwechsel. Leider tut er mir nicht den Gefallen. Er legt sich auf seine Hupe und wartet gelassen ab. Er scheint nicht zum ersten Mal eine solche Situation zu erleben.
Und wirklich – in Nullkommanichts kommt sie aus ihrer Wohnung herausgeschossen. Laut schimpft sie zu mir herüber, dass es eine Unverschämtheit sei, das andere Auto dort abzustellen. Mit königlich erhobenem Haupt rauscht sie davon. Unrechtsbewusstsein? Eine kurze Entschuldigung zum Müllwagenfahrer?
Keine Spur. Ihr Lebensmotto lautet wohl: „Ich bin, also darf ich.“
Ich glaube, es ist nachvollziehbar: Wenn ich zum Fenster hinaus schaue und Blau sehe, sehe ich sofort rot.